Wir über uns

Pädagogisches Konzept

Geschichte

Aufnahmebedingungen

Elternbeiträge

Satzung

Projekte

Kalender

Ein- und Ausblicke


Anmeldung

Kontakt

Impressum





Rede zur Eröffnung der Kunstausstellung 2019
von Anna Knapp-Withot



Auch ich möchte euch alle hier natürlich herzlich willkommen heißen.

Ich möchte beginnen mit ein paar Worten zu meiner Person: Ich bin Anna oder Grüni, Erzieherin und dieses Jahr 10 Jahre in dieser Einrichtung tätig. Ich habe ein paar Umwege gemacht, um hier meine Berufung zu finden. Zu meiner Schulzeit hat sich der Kunstunterricht und für mich damit auch die Kunst sehr auf den »Tuschkasten« beschränkt. Als erschwerend empfand ich die hinzukommenden Vorgaben und Bewertungen. Und Bewertung ist auch immer gleich Abwertung. Später kamen dann noch Epochen und Stile in der Theorie, Biografien und die Werke der alten Meister hinzu. Das war zwar sehr interessant, aber auch langweilig. Und das möchte ich mir an dieser Stelle erlauben: Nach Meisterinnen - und die gibt es - musste ich selbst suchen.

Kunst schien mir sehr weit entfernt und so verwundert es mich rückblickend nicht, dass ich erst hier im Kindergarten entdeckt habe, dass Kunst so viel mehr ist als eine elitäre Blase. Der Kunstbegriff ist für mich sehr ambivalent. Einerseits hat Kunst politisches Potential, sie kann ein gesellschaftliches Ventil, ein Aufschrei, eine kritische Randnotiz sein. Sie besteht manchmal im Kunstwerk selbst, und manchmal im Tun an sich. Doch sobald sie im Museum landet, passiert irgendwas. Mein Gefühl ist, Künstler und Künstlerinnen werden auch vom Kunstmarkt erschaffen. Wer bestimmt, was ins Museum kommt - und vielleicht genauso wichtig, was nicht ins Museum kommt?

So, und damit ich nicht zu viel von Dingen rede, von denen manche meinen könnten, ich hätte davon keine Ahnung, habe ich mir in den letzten Wochen Hilfe geholt und habe die Kinder interviewt: »Was ist Kunst, was ist eine Ausstellung?« Die Antworten möchte ich nun vortragen:

»Wenn man krickelakrackt.«

»Was malen, was echt aussieht.«

»Wenn man selber was erschafft, zum Beispiel, was schwierig ist.«

»Wenn man was bastelt und anmalt.«

»Wenn man was baut, was schwierig ist.«

»Selbst erfundene Sachen.«

»Zum Beispiel ein komisches ausgedachtes Tier, eine Eule mit einem Leopardenfell oder ein Tiger mit einem Eulenschwanz. Oder wenn man was malt, was auf einen zugeht.«

»Was, wo man immer hingucken muss.«

»Krickelakrack.«

»Schön malen und auch nicht schön malen.«

»Was man gewerkelt hat und sich jeder angucken kann. Das stellt man aus, damit jedes Kind sich das auch angucken kann - wie im Museum.«

»Ich mach’ Kunst mit Wirbeln.«

»Wenn jemand was zeigen will und was gemacht hat und ich und alle sich das dann angucken.«

»Was ich fädel’ oder bastel’.«

»Wenn man was macht.«

»Tanzen und singen ist auch Kunst, aber nicht im Museum.«

»Na, Krickelakrack, das hab’ ich ja gemalt, aber auch einen Elefant.«

»Das ist schön, dass alle das sehen können.«

»Wenn man was selbstgemacht hat.«

»Das ist, wenn man was aus Holz und Sand und LEGO-Männchen macht. Sowas hat meine Schwester mal gemacht, das war so cool.«

»Ein Einhorn.« (zeigt auf ihr Einhorn-Osterkörbchen)

»Wenn man so malt und immer weitermacht, sieht man den Gruppenraum nicht mehr.«

»Mama kommt und guckt und zeigt auch was.«


Es wird schnell deutlich, wer hier die Profis sind. Ja, ihr Kinder.

Im letzten Jahr feierte der Kindergarten sein 50-jähriges Bestehen. Zufällig hielten auch da meine Kollegin Nadja und ich eine Rede. Wir erzählten, dass wir - denn wir sind keine Küpkerswegkinder - es als etwas Besonderes und Außergewöhnliches empfinden, dass es hier eine so enge Verknüpfung mit den Ehemaligen gibt. Sie finden sich in der Mitarbeiterschaft und in den Eltern, manche in der zweiten Generation und die dritte ist auch nicht mehr weit, unter den Auszubildenden und Praktikantinnen und Praktikanten, oder in den Besuchen in den Schulferien, und natürlich wie jetzt, in diesem Rahmen der Kunstausstellung. Alle Künstlerinnen und Künstler sind mit dem Kindergarten verbunden. Das spricht für ein hohes Identifikationspotential, - wir wollten mit der Rede betonen, dass dies die Nachhaltigkeit eines gelebten Konzeptes ist.

Ich bin überzeugt, wir leisten gute Arbeit. Es ist die Freiheit, der Freiraum, die Selbstbestimmung, die Selbstentfaltung, der Versuch in Vielfalt zu leben, die Mitbestimmung, die begrenzten und unbegrenzten Möglichkeiten, die Selbstwirksamkeit, die hier erfahrbar gemacht werden. Wenn wir ermöglichen möchten, dass unsere Kinder das politische Potential und ihre Ausdrucksmöglichkeiten durch Kunst für sich entdecken, dann ist es wichtig, dass wir bereit sind, zuzulassen, dass es laut und dreckig und wild dabei zugehen darf. Wir verstehen uns als Teil des Ganzen, also als Teilnehmende, als Mitmenschen, als Begleitende, als Assistierende und ja, manchmal auch als Bestimmende. Und gerade deswegen ist es so wichtig, dass wir diese Prozesse als Einzelperson und als Team immer wieder hinterfragen, reflektieren und diskutieren, denn die Welt hört nicht auf, sich zu verändern und zu entwickeln.

Über die Idee der Kunstausstellung hat Karl übrigens einen Artikel geschrieben, es lohnt sich diesen zu lesen, und ich möchte daraus kurz zitieren: »Kinder drücken in ihren Bildern und Objekten ihre Gefühle aus. In ihren Werken zeigen sie sich und lernen: Ich bin kompetent darin, Auskunft über mich zu geben. Ich kann mir selbst vertrauen. Ich gebe etwas in die Welt, das eine Wirkung erzielt. Ich bin selbstwirksam.«

Wir wollen dies erfahrbar und transparent machen. Ich denke, ein Blick auf die Selbstbildnisse an den Hauswänden spricht für sich. Für mich sind das großartige Charakterbilder. Auch im Alltag wird deutlich, dass wir alle gemeinsam den Kindergarten zu einem kreativen Ort machen. Es sind die ritualisierten Angebote wie z. B. die Laternen. Erst werden Skizzen angefertigt, dann Überlegungen angestellt, wie vorgegangen werden kann, und wenn die Laterne ein Hochhaus werden soll, dann wird sie ein Hochhaus, wenn sie eine Schildkröte werden soll, wird sie eine Schildkröte, oder eine Prinzessin, oder ein Feuerwehrauto, oder ein Pferd, oder ein Einhorn, oder ein Hulk, ein Apfel, ein Schwein - was ihr wollt. Oder unsere Tontorten, die von der Gruppe für das Geburtstagskind modelliert werden. Es entstehen Wunschwelten oder Landschaften und jeder kann sich beteiligen. Hier wird die gegenseitige Wertschätzung auch sehr deutlich. Die Faschingsbilder, Musik mit Jürgen, Tanz in der Diele, die internen Feste, und irgendwas würde ich sogar vergessen, wenn ich noch mehr aufzähle. Und dann sind da noch die ganzen spontanen Situationen, Ideen und Angebote oder selbstorganisierte Theaterstücke, Bücher, Jamsessions, und Vorführungen aller Art. Eine solche Situation kann z. B. so ablaufen: Ich sage zum Kind: »Ach, schau mal, das ist kaputt. - Und das hier auch. Das könnte ja auch mal weg.« - Das Kind sagt: »Wir haben zu Hause auch gerade kaputte Sachen aussortiert. Wir können daraus ja was bauen.« - Ich: »Coole Idee. Hast du einen Plan, was?« - Zack - einmal drüber gesprochen - wer will, klinkt sich ein - und so kommt Elisaschrott Roberta auf die Welt. Eure Ideen, die Ideen der Kinder, sind die besten. Die Arbeit mit euch macht so viel Spaß und wegen euch kann ich sagen: ich habe den schönsten Beruf der Welt. Dafür danke.

Danken möchte ich natürlich allen Leuten, die in irgendeiner Art und Weise an dieser Kunstausstellung beteiligt waren.

Bevor es nun hier im Programm weitergeht, möchte ich uns allen viel Spaß und einen bereichernden, inspirierenden Tag wünschen und abschließend noch ein Gedicht vortragen:

Loris Malaguzzi (Mitbegründer der Reggio-Pädagogik) - 100 Sprachen

Und es gibt Hundert doch
Ein Kind ist aus hundert gemacht.
Ein Kind hat hundert Sprachen,
hundert Hände,
hundert Gedanken,
hundert Weisen zu denken, zu spielen, zu sprechen.
Hundert, immer hundert Weisen zu hören,
zu staunen, zu lieben,
hundert Freuden
zu singen und zu verstehen.
Hundert Welten zu entdecken,
hundert Welten zu erfinden,
hundert Welten zu träumen.
Ein Kind hat hundert Sprachen,
(und noch hundert, hundert, hundert),
aber neunundneunzig werden ihm geraubt.
Die Schule und die Kultur trennen ihm den Geist vom Körper.
Sie sagen ihm, ohne Hände zu denken,
ohne Kopf zu handeln,
nur zu hören ohne zu sprechen,
ohne Freuden zu verstehen,
nur Ostern und Weihnachten
zu staunen und zu lieben.
Sie sagen ihm, es soll
die schon bestehende Welt entdecken.
Und von hundert
werden ihm neunundneunzig geraubt.
Sie sagen ihm, dass Spiel und Arbeit,
Wirklichkeit und Fantasie,
Wissenschaft und Vorstellungskraft,
Himmel und Erde,
Vernunft und Träume
Dinge sind, die nicht zusammen passen.
Ihm wird also gesagt,
dass es Hundert nicht gibt.
Das Kind aber sagt:
»Und es gibt Hundert doch.«

Danke.