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Die Eröffnungsrede von Ben Marburg-Knipper


Liebe Erwachsene, liebe Kinder, liebe Gäste und Beteiligten,

Bei dieser nunmehr dritten Ausstellung habe ich die Ehre mir laut und öffentlich einige Gedanken zu machen über das, was uns hier in den nächsten Stunden erwartet. Da ich mich in den letzten 8 Jahren, in denen meine beiden Kinder diesen Kindergarten besucht haben bei Mitgliederversammlungen, Elternabenden, in Arbeitsgruppen usw. des öfteren meistens ungefragt, relativ knapp (da gehen die Meinungen auseinander) und in relativ kleinem Kreis zu den Belangen dieses Kindergartens ausgelassen habe, bin ich sehr froh dieses öffentlich, gefragt und in einer gewissen Ausführlichkeit tun zu dürfen (Keine Angst - ich glaube die Ausführlichkeit ist noch vertretbar). Ich hoffe es gelingt mir Sie und Euch mitzunehmen in meine Gedanken zu diesem Anlass und auf meinem gedanklichen Weg von einer anfänglichen Skepsis diesem Projekt gegenüber zur mittlerweile vorbehaltlosen Zustimmung dazu.

Damals vor vielen, vielen Jahren als man noch mit D-Mark bezahlte und das neue Jahrtausend noch ganz neu war, haben wir auf einem Elternabend diskutiert ob und wie eine Ausstellung mit Bildern von Kindern und Profis im Kindergarten zu realisieren wäre und mein erster Gedanke war: Muss das sein? Es war klar das eine solche Ausstellung einen erheblichen Aufwand bedeuten würde und ich konnte im ersten Moment keinen Sinn erkennen, der diesen gerechtfertigt hätte. Zudem hatte ich die Befürchtung das die Kinderbilder im direkten Vergleich mit den handwerklich und gestalterisch vermutlich komplexeren Werken der Profis als minderwertig wahrgenommen würden. Ich wurde jedoch recht schnell (allerdings noch nicht am selben Abend) eines besseren belehrt. Der Ausgangspunkt dieser Belehrung ist eine einfache Frage:

- Was ist das, was hier nunmehr zum drittenmal stattfindet?
Die Antwort ist noch einfacher als die Frage:
- eine "Aus" - "stellung"

So banal dies zunächst klingt ist mit diesem Wort - wenn auch stark verkürzt - alles wesentliche gesagt, denn in dem Wort "Ausstellung" selbst stecken die beiden wichtigsten Motive für diese Veranstaltung: "Aus" und "stellen". Das erste das "Aus" bezeichnet eine Richtung, einen Prozess der Veränderung - irgendjemand oder irgendetwas bewegt sich von innen nach außen. Jede Ausstellung bildet einen vorläufigen Endpunkt eines kreativen Prozesses vom Inneren des Künstlers/der Künstlerin über das Werk außerhalb seines/ihres Selbst bis zur Veräußerung des Werkes in der öffentlichen Präsentation. Das wäre die einfachste und offensichtliche Bedeutung des "Aus". Aber die Wirkung einer Ausstellung auf das Verhältnis von innen und außen bzw. das Überschreiten der Grenze dazwischen geht weit darüber hinaus. Schließlich ist das Innere des Künstlers / der Künstlerin nur eine von vielen betroffenen Innenwelten. Jede Gruppe im Kindergarten, jede Spielgemeinschaft innerhalb der Gruppen, die Gruppe der sich gegenseitig zuparkenden Eltern, die Süchtigen im Schuppen, die aktiven Vereinsmitglieder oder die Ehemaligen, die angesprochen werden, wenn Ihre besonderen Fähigkeiten gebraucht werden - alle diese Gruppen bilden Innenwelten dieses Kindergartens, die in der Regel nur von Innen wahrgenommen werden können. Durch diese Ausstellung öffnen sich auch diese Innenwelten für Freunde, Verwandte, Kunstbeflissene und Banausen mit und ohne Kinder, für Sponsoren und interessierte Profis und alle anderen die heute hier sind, obwohl sie keine direkte Verbindung zum Kindergarten haben. Dass aber dieses "aus-sich-heraustreten", diese Fähigkeit seine Innenwelten anderen zugänglich zu machen in dem Vertrauen darauf nicht ernsthaft verletzt zu werden und die Bereitschaft sich vom immer unkalkulierbaren Außen verändern zu lassen zu den Grundfertigkeiten gehört, ohne die ein glückliches und erfolgreiches Leben zumindest schwierig, wenn nicht unmöglich ist, wird in einer immer dynamischeren Welt zusehends selbstverständlich. Welche Bedeutung diese Öffnung für die Kinder haben kann hat mir mein Sohn bei der Verteilung der Einladungen deutlich vor Augen geführt. Er hatte sich für seine Freundin aus der Straße, die nicht den Kindergarten besucht, eine Einladung mitgenommen und noch am gleichen Tag versucht ihr zu geben. ....Leider war sie nicht zu Hause! Da es aber sehr wichtig war, dass sie diese Einladung erhält und zur Ausstellung kommt, konnte Aaron die Einladung nicht in den Briefkasten legen, wo ja Gefahr bestand, dass sie mit Werbung verwechselt und weggeworfen würde. Ebenso konnte er den Eltern oder dem Bruder seiner Freundin die Einladung nicht geben, da ja allgemein bekannt ist das auch Blutsverwandte bisweilen wichtige Dinge einfach vergessen weiterzugeben. So kehrte er unverrichteter Dinge zurück und zwar - da Carlotta in der Woche viel unterwegs war - noch etliche Male bis sie die Einladung endlich annehmen konnte.
Da jeder von uns gemeinhin nur das gerne präsentiert, womit er einverstanden ist, beweist das Verteilen der Einladungen ein gewisses Selbstbewusstsein. Ich denke dieses Selbstbewusstsein ist auch berechtigt und bildet einen weiteren guten Grund für diese Öffnung des Kindergartens:

Das, was hier getan wird, kann sich sehen lassen, da darf man stolz darauf sein und das darf man nach außen tragen in dem Bewusstsein, dass es vielen, die mit Kindern arbeiten, gut täte sich hier etwas abzuschauen.

In gewisser Weise ist diese Ausstellung also eine Tür, durch welche die verschiedenen mit dem Kindergarten verbundenen Innenwelten heraustreten können um sich voller Stolz zu präsentieren. Aber Türen sind, so man sie öffnet, in beide Richtungen durchlässig. Bei dieser Ausstellung tritt nicht nur das Innere eher abstrakt nach draußen, sehr viel konkreter tritt das Außen herein. Zunächst als Gast, der betrachtet, bewertet, vielleicht auch Fragen stellt oder Anregungen gibt. Dann gibt es das Außen das die KünstlerInnen in ihren Werken verarbeiten und ohne das wir gar nichts auszustellen hätten. Und nicht zuletzt sind es Impulse von außen, die den Anstoß geben den Kindergarten ständig zu verändern und etwas Neues zu beginnen. So lässt sich ein Bogen spannen von dem tiefen Eindruck den das Niveau und der Stellenwert von Kunst in pädagogischen Arbeit in Reggio, den die Mitarbeiter von der Fortbildungsreise mitbrachten über die Ausstellungen bis zu dem Plan ein Atelier zu bauen, wozu diese Ausstellung ja einen Beitrag leisten soll.

Der zweite Aspekt einer Ausstellung ist das "stellen", d.h. dass den Kunstwerken in einer Ausstellung ein Platz gegeben wird. Jedes Kunstwerk wird idealerweise so platziert, dass es möglichst gut zur Geltung kommt, d.h. jedes Kunstwerk bekommt einen besonderen ihm zuträglichen Platz. In diesem Sinne feiert die Ausstellung die Besonderheit des einzelnen Werkes. In dieser Wertschätzung des Werkes liegt aber auch eine Wertschätzung des Künstlers/der Künstlerin und seiner/ihrer jeweiligen Einzigartigkeit. Wie wichtig diese Wertschätzung des Individuums in seiner Besonderheit ist und das dies zu den Dingen gehört, die diesen Kindergarten auszeichnen, wurde uns eigentlich erst nachdem unsere Tochter den Kindergarten verlassen hatte schmerzlich bewusst. Als Celia eingeschult wurde und wir Aaron wegen der Wohnortnähe zunächst in einem anderen Kindergarten untergebracht hatten, merkten wir sehr schnell, dass jene Selbstverständlichkeit mit der im Küpkersweg Ideen von Kindern aufgegriffen und zu Projekten gemacht werden, jene Vielfalt, die entsteht wenn man Kinder nach ihren Vorstellungen (z.B. zur Form der Osternester) fragt und Ihnen hilft diese zu realisieren oder der Einfallsreichtum mit dem jedes Jahr zum Fasching jedem Kind ein zu seiner Kostümierung passender Raum geschaffen wird, andernorts als unrealisierbare Spinnerei gilt. Mit Entsetzen mussten wir feststellen , dass Begriffe wie selbstbestimmtes Lernen oder Individualisierung und Binnendifferenzierung zwar teilweise schon seit Jahrzehnten theoretisch etabliert sind, praktisch jedoch oft nicht umgesetzt werden. Statt dessen bearbeiten die Kinder in vielen Schulen alle dieselben standardisierten Arbeitsblätter. Diejenigen die diese langweiligen Aufgaben schnell lösen können, dürfen dann zur Belohnung noch mehr langweilige Aufgaben bearbeiten, während man jenen, den der gegebene Erklärungsansatz nicht zu einem Verständnis verhilft, den Sachverhalt noch mal auf die gleiche Weise erklärt; so als ob die Forschungen über unterschiedliche Lernertypen und ihre jeweils eigenen Wege zum Verständnis nie veröffentlicht worden wären. Passend dazu beschränkt sich Kunst in vielen Kindergärten darauf aus vorgefertigten Einzelteilen unter massivem Mitgebastel der Erzieherinnen dekorative Belanglosigkeiten zu produzieren, die über die Schaffenden soviel erzählen wie ein Topflappen.

Vor diesem Hintergrund erscheint mir jeder Aufwand, wenn er diesem Ziel dient die Kinder in Ihrer Individualität und in Ihrem Selbstvertrauen zu stärken, mehr als gerechtfertigt. Da Individualität und Selbstbestimmung in der pädagogischen Praxis immer noch vielerorts - wider besseren Wissens - als inpraktikabel abgetan werden, sind Ausstellungen wie diese bitter nötig um zu demonstrieren, dass es sehr wohl möglich ist so zu arbeiten und dass es gut wird und dazu noch Spaß macht. So hat dieses Konzept der Wertschätzung des Individuums und des Ernstnehmen der Ideen der Kinder, das für diese Ausstellung die Grundlage bildet, unserer Tochter Celia ein tiefes Vertrauen in den Wert ihres so-und-nicht-anders-seins und ihrer gestalterischen Fähigkeiten gegeben, das auch die Schule nicht hat erschüttern können und ihr die Kraft gibt sich selbst auch in widrigen Umständen treu zu bleiben.

Anders gesagt sind die Chancen Selbstwert zu erleben, die diese Ausstellungen bieten so immens, während - denke Ich - jeder bestätigen wird dass die Konzeption der Ausstellung und die Präsentation der Werke einen abwertenden Vergleich von Profi- und Kinderkunst ausschließen, so dass sich meine eingangs gestellten skeptischen Fragen in Luft auflösen.
Daher möchte ich allen Beteiligten von ganzem Herzen danken für den Aufwand den sie für diese Ausstellung betrieben haben, für die gute Einstellung, die dieses Projekt ermöglicht hat und für den Mut jedes einzelnen die Tür zu seinen jeweiligen Innenwelten aufgestoßen zu haben. Diesen Dank an die Beteiligten möchte ich verbinden mit der Bitte an die Gäste ihrerseits die eigenen Türen zu öffnen und sich von dem was sie erleben bewegen zu lassen. Öffnen sie sich für neue Eindrücke, neue Ansichten und neue Einstellungen zu Kunst, zu Kindern und zum Umgang mit beiden. Öffnen sie schließlich auch die Türen zu allem, was heute Außen bleibt indem sie Ihre Eindrücke in Bereiche tragen die wir nicht erreichen können. Und so wie ich hoffe, dass es uns gelingt sie zu bewegen und beeinflussen, so möchte ich sie bitten auch uns zu bewegen und zu beeinflussen. Beeinflussen sie unser Innen indem sie ihre Eindrücke mit uns und denen, die sie eingeladen haben, teilen. Beeinflussen sie unser Außen indem sie den Bau des Ateliers finanziell unterstützen oder kurz gesagt:
Öffnen sie sich - bewegen sie sich mit uns - und geben sie hier und heute viel Geld aus!

Vielen Dank